Deutsche Telekom und Nvidia präsentieren Europas erste industrielle KI-Cloud

| Von Dennis Mark | AI & Technology Blog

Heute findet in Berlin ein historischer Moment für die deutsche KI-Strategie statt. Um 11:30 Uhr präsentieren die Deutsche Telekom und der US-Chipgigant Nvidia gemeinsam die erste industrielle KI-Cloud Europas. Das Milliardenprojekt soll Deutschland und Europa an die Spitze der globalen KI-Infrastruktur bringen und gleichzeitig die digitale Souveränität der Region stärken. Die Pressekonferenz ist hochkarätig besetzt: Neben Telekom-Chef Tim Höttges nehmen SAP-CEO Christian Klein, Deutsche-Bank-CEO Christian Sewing sowie die Bundesminister Karsten Wildberger (Digitales und Staatsmodernisierung) und Dorothee Bär (Forschung) teil.

Die "Industrial AI Cloud" entsteht in München und wird mit über 10.000 Hochleistungs-GPUs ausgestattet. Zum Einsatz kommen modernste NVIDIA-DGX-B200-Systeme und RTX Pro Server GPUs, auf denen beschleunigte Workloads von führenden Softwareanbietern basierend auf NVIDIA CUDA-X, RTX und Omniverse laufen werden. Diese massive Rechenkapazität soll ab 2026 europäischen Industrieunternehmen zur Verfügung stehen und die Entwicklung KI-gesteuerter Fertigungsprozesse ermöglichen.

Das Projekt wurde bereits im Juni dieses Jahres angekündigt, als Nvidia-Chef Jensen Huang nach Deutschland reiste und mit Bundeskanzler Friedrich Merz zusammentraf. Merz betonte dabei den "Führungsanspruch" Deutschlands bei Künstlicher Intelligenz und hob die Bedeutung von Investitionen in strategische KI-Infrastrukturen hervor. Die heutige Vorstellung markiert den offiziellen Start des Projekts und liefert konkrete Details zu Kapazitäten und Zeitplan.

Die Aufgabenteilung zwischen den Partnern ist klar geregelt: Die Deutsche Telekom übernimmt die gesamte Infrastruktur, einschließlich Rechenzentren, Betrieb, Vertrieb sowie Security- und AI-Lösungen. Dabei garantiert das Unternehmen, dass europäische Standards für Datenschutz und Datensicherheit strikt eingehalten werden. Alle Daten werden ausschließlich nach europäischen Vorgaben verarbeitet – ein entscheidender Unterschied zu vielen US-amerikanischen Cloud-Anbietern und ein wichtiger Aspekt für die digitale Souveränität Europas.

Nvidia steuert die technische Ausstattung bei und bringt seine Expertise in der KI-Hardware und -Software ein. Jensen Huang erklärte dazu: "Im Zeitalter der KI braucht jeder Hersteller zwei Fabriken: eine zum Herstellen von Dingen und eine zum Erschaffen der Intelligenz, die diese antreibt. Mit dem Bau der ersten industriellen KI-Infrastruktur Europas ermöglichen wir den führenden Industrieunternehmen der Region, simulationsorientierte, KI-gesteuerte Fertigung voranzutreiben."

Ein wichtiger Aspekt des Projekts ist die Einbindung von KI-Robotik-Pionieren wie Agile Robots und Wandelbots. Diese Unternehmen sollen die praktische Anwendung der KI-Infrastruktur in der industriellen Fertigung vorantreiben und innovative Lösungen für die Automatisierung entwickeln. Die Zusammenarbeit zwischen Cloud-Infrastruktur und Robotik-Expertise könnte neue Maßstäbe für Industrie 4.0 setzen.

Telekom-Chef Timotheus Höttges unterstrich die Dringlichkeit des Projekts mit deutlichen Worten: "Europas technologische Zukunft braucht einen Sprint, keinen Spaziergang. Wir müssen jetzt die Chancen der Künstlichen Intelligenz ergreifen, unsere Industrie revolutionieren und eine führende Position im globalen Technologiewettbewerb sichern. Unser wirtschaftlicher Erfolg hängt von schnellen Entscheidungen und gemeinschaftlicher Innovation ab."

Das Projekt ist Teil einer größeren Initiative zum Aufbau einer europäischen KI-Infrastruktur. Die Bundesregierung sieht das Vorhaben als komplementär zur EU-Initiative zur Errichtung von KI-Gigafabriken. Deutschland positioniert sich damit als Vorreiter innerhalb Europas und setzt ein klares Zeichen gegen die Abhängigkeit von außereuropäischen Tech-Konzernen.

Die Bedeutung des Projekts zeigt sich auch an der Beteiligung von SAP und der Deutschen Bank. SAP wird als Großkunde fungieren und die KI-Rechenpower für seine eigene Entwicklung nutzen. Als Europas größter Softwarekonzern bringt SAP sowohl technologische Expertise als auch konkrete Anwendungsfälle ein. Die Deutsche Bank vertritt die Perspektive des Finanzsektors, der zunehmend auf KI-gestützte Lösungen setzt.

Für die deutsche Industrie bedeutet die neue Infrastruktur einen wichtigen Schritt nach vorn. Unternehmen erhalten Zugang zu modernster KI-Technologie, ohne auf ausländische Anbieter angewiesen zu sein. Dies ist besonders für den Mittelstand relevant, der oft nicht über die Ressourcen verfügt, eigene große Rechenkapazitäten aufzubauen. Die Industrial AI Cloud demokratisiert gewissermaßen den Zugang zu leistungsfähiger KI-Infrastruktur.

Auch Start-ups und Forschungseinrichtungen sollen Zugang zur Infrastruktur erhalten. Dies könnte einen Innovationsschub für die deutsche und europäische KI-Forschung bedeuten. Die Kombination aus Rechenleistung, Datensicherheit und lokaler Verfügbarkeit schafft ideale Bedingungen für die Entwicklung neuer KI-Anwendungen im industriellen Kontext.

Die Investitionssumme für das Projekt liegt im Milliardenbereich, wobei konkrete Zahlen noch nicht offiziell kommuniziert wurden. Brancheninsider sprechen von mehreren Milliarden Euro, die in den Aufbau der Infrastruktur fließen werden. Dies unterstreicht die strategische Bedeutung, die beide Unternehmen dem Projekt beimessen.

Im internationalen Vergleich ist das Projekt bemerkenswert, aber nicht einzigartig. China investiert massive Summen in KI-Infrastruktur – allein für staatliche Programme wurden über 15 Milliarden US-Dollar ausgegeben. Auch in den USA treiben Tech-Giganten wie Microsoft, Google und Amazon eigene KI-Rechenzentren voran. Die europäische Initiative muss sich daher in einem intensiven globalen Wettbewerb beweisen.

Ein kritischer Punkt ist die Abhängigkeit von Nvidia-Hardware. Während die Infrastruktur in Europa steht und nach europäischen Standards betrieben wird, stammt die Kerntechnologie – die GPUs – weiterhin aus den USA. Dies relativiert die digitale Souveränität teilweise, auch wenn die Datensicherheit gewährleistet ist. Langfristig wäre die Entwicklung europäischer Alternativen bei KI-Chips wünschenswert.

Die Umsetzung des Projekts bis 2026 ist ambitioniert. Der Aufbau eines Rechenzentrums dieser Größenordnung mit 10.000 GPUs stellt erhebliche logistische und technische Herausforderungen dar. Zudem müssen die verschiedenen Softwareplattformen integriert und die Anbindung für Kunden realisiert werden. Die nächsten Monate werden zeigen, ob der Zeitplan eingehalten werden kann.

Für den Standort München bedeutet das Projekt einen wichtigen Imagegewinn. Die bayerische Landeshauptstadt etabliert sich weiter als Tech-Hub und KI-Zentrum. Die Ansiedlung der KI-Fabrik könnte weitere Investitionen und Unternehmen anziehen und die Position Münchens im europäischen Tech-Ökosystem stärken.

Die heutige Pressekonferenz wird mit Spannung erwartet. Neben den technischen Details dürfte es auch um die wirtschaftlichen Perspektiven, Nutzungsmodelle und konkrete Anwendungsfälle gehen. Zudem werden die politischen Vertreter vermutlich die strategische Bedeutung für Deutschlands Digitalstrategie hervorheben.

Das Projekt steht symbolisch für einen möglichen Wendepunkt in der europäischen Technologiepolitik. Nach Jahren, in denen Europa in vielen digitalen Bereichen hinter den USA und China zurückfiel, könnte Deutschland mit diesem Projekt ein Signal setzen. Der Erfolg hängt jedoch davon ab, ob es gelingt, die Infrastruktur nicht nur aufzubauen, sondern auch effektiv zu nutzen und kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Telekom-Chef Höttges Formulierung vom "Sprint statt Spaziergang" bringt die Herausforderung auf den Punkt: Europa muss beim Thema KI das Tempo deutlich erhöhen, wenn es im globalen Wettbewerb mithalten will. Die Industrial AI Cloud ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung – ob sie zum Gamechanger wird, entscheidet sich in den kommenden Jahren.

Quelle: Finanznachrichten.de

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